Autor: Michael Reiter
Veröffentlichung: 25.01.2024
Qualität erhöhen, Versorgung sichern: Unter diesem Leitthema propagierte der Nationale Qualitätskongress Gesundheit im November eine Zeitenwende in der stationären Versorgung. Die Patientenversorgung der Zukunft wird digitalisierter stattfinden, mit weniger Betten und weniger Fachkräften, so die Veranstalter. Messen, auswerten und in strategische Ziele umsetzen – Daten erhalten in diesem Wandel höchsten Stellenwert.
Demografischer Wandel, Fachkräftemangel, verändertes Patientenverhalten, Ambulantisierung, sektorübergreifende Zusammenarbeit, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz – eine Vielzahl an Faktoren erfordert eine Neuaufstellung der Versorgung. Das erklärten die Kongressverantwortlichen der Gesundheitsstadt Berlin. Dieser Verein bildet eine Plattform für das Gesundheitswesen in der Hauptstadtregion.
Den Weg in diese Zukunft bereiten will die Politik mit der Krankenhausreform. So soll die Krankenhauslandschaft künftig auf der Grundlage von Leistungsgruppen geplant werden, die mit bundesweit einheitlichen Qualitätskriterien verknüpft sind. Das Transparenzgesetz soll gegenüber Patientinnen und Patienten sichtbar machen, welches Krankenhaus welche Leistung mit welcher Qualität anbietet. Ein Konsens zwischen Bund und Ländern sei gefragt, um Fortschritte zu erzielen, betonte Prof. Dr. Tom Bschor. Eine Übereinkunft sei ferner zwischen ambulant und stationär vonnöten, so der Koordinator der Krankenhauskommission weiter. Die Versorgung der Zukunft werde lokal, regional und überregional zu organisieren sein; dabei werde die regionale Ebene als Rückgrat der Krankenhausversorgung dienen. Er kündigte ein hartes Jahr 2024 an, das weitere Insolvenzen mit sich bringen werde. Leistungserbringer wie Vivantes, so war auf dem Kongress zu hören, wollen sich dabei durch Kooperationen vor die Welle manövrieren.
Die Länder müssten Insolvenzen bei zukunftsfähigen Häusern verhindern, fasste Dr. Daniel Dettling zentrale Aussagen vom Kongress zusammen. Eine Entlastung des Personals könne die Arbeitsqualität erhöhen, unterstrich der Geschäftsführer des Vereins Gesundheitsstadt Berlin. Das Thema „Daten“ habe inzwischen im Krankenhaus höchsten Stellenwert. Das Ziel der Transparenz erfordere bessere Daten und deren hürdenfreien Austausch. Auf dem „Fachkongress mit politischem Antlitz mit Qualität und Patientensicherheit im Mittelpunkt“ stand dieses Thema mit im Vordergrund.
Daten, Analysen und Bewertungen aus den unterschiedlichen Aktivitätsbereichen der Krankenhäuser bilden die Voraussetzung für die Erreichung von Zielen. Dies gilt für die klinischen, administrativen und die Business-Aktivitäten. Wie sich automatisiert wichtiges Wissen aus der Behandlungsdokumentation extrahieren lässt, präsentierte Annett Müller, Geschäftsentwicklung DMI, auf dem Kongress: „Das Generieren von Wissen aus Daten bietet Leistungserbringern im Kontext der Krankenhausreform den Schlüssel, um sich in einem veränderten Markt tragfähig aufzustellen“. Die Zuordnung von Leistungsgruppen sei ein wichtiges Beispiel: Die Behandlungsdokumentation enthält detaillierte Aussagen über erbrachte Leistungen. Auch das Krankenhaustransparenzgesetz mit seinen Meldeverpflichtungen erfordere, neben Angaben zur Strukturqualität, Abfragen zur Behandlungs- und Dokumentationsqualität. Hier ermögliche die Plattform DaWiMed, ein gemeinsames Angebot des IT-Anbieters und Archivierungsspezialisten DMI und des Semantik-Softwarehauses ID, das Clustern von Daten zu Patientenfällen hinsichtlich beliebiger Parameter
Diese Plattform bündelt vollzählige digitale Patientenakten und leistungsstarke, KI-basierte semantische Analysefähigkeit: Die Tools und Services von DMI und ID ergänzen einander optimal zum Vorteil der Akteure im Gesundheitswesen. Sie umfassen die vollautomatisierte Digitalisierung von Patientenakten, ergänzt durch Metadaten und kombiniert mit strukturierten Daten aus Labor und Abrechnung. Abgebildet werden die Dokumente und Daten standardisiert über FHIR®. Die semantische Erschließung übernimmt der ID-Terminologieserver, der internationale Terminologien und Ontologien wie SNOMED und LOINC integriert und Analysen mit modernsten Methoden transparenter Künstlicher Intelligenz inklusive Machine Learning ermöglicht – ebenfalls vollautomatisch.
Mit DaWiMed lassen sich Diagnosen, Symptome, Prozeduren, Laborwerte und Medikamentierungen extrahieren und auf dieser Basis Patientenkohorten identifizieren. Eine Verknüpfung mit Abrechnungsdaten ist realisierbar. In vielen Fragestellungen geht der Informationsbedarf deutlich über die Abrechnungsdaten hinaus, etwa beim pflegerischen Aufwand. Mit DaWiMed lassen sich diese Anforderungen durch Analysen in den Patientenakten auf Basis von Terminologien, wie LOINC, SNOMED-CT, der Wingert-Nomenklatur und anderen meistern.
DaWiMed ist ein gemeinsames Angebot des IT-Anbieters und Archivierungsspezialisten DMI und des Semantik-Softwarehauses ID. Erstmals präsentiert wurde diese Plattform zur Erschließung des Wissens aus intelligent aufbereiteten Dokumenten und Patientendaten auf der DMEA 2023. Zu den aktiven Kunden zählt ein kommunales Großkrankenhaus, das inzwischen Teil der Medizininformatikinitiative (MII) ist. Der nichtuniversitäre Träger baut ein Datenintegrationszentrum (DIZ) auf. In dieses Data Warehouse sollen auch die Informationen aus dem Freitext der Patientenakten integriert werden. Dies geschieht in Form von FHIR®-Ressourcen, angelehnt an den MII-Kerndatensatz, was diesen Umsetzungsschritt erleichtert. – DaWiMed ist unter den Finalisten der Schlüsselprojekte 2024 im Rahmen der Entscheiderfabrik.
Valide, aussagestarke Daten bilden auch die Voraussetzung für nutzenstarke Anwendungen künstlicher Intelligenz (KI). Zu den Versprechen zählen bessere Behandlungsergebnisse dank personalisierter Therapien und die Verringerung der Arbeitsbelastung des Personals durch Unterstützung bei Routineaufgaben. Wie diese Technologien inzwischen Aufgaben in der Behandlungskette übernehmen, führte eine Session des Kongresses vor Augen. Referentinnen und Referenten aus der Diagnoseunterstützung, aus der Pharma-Produktentwicklung und aus der Leistungserbringung diskutierten Gegenwarts- und Zukunftsszenarien. Interoperabel verfügbare, auf internationalen Terminologiestandards beruhende Daten bieten die Grundlage.