Autor: Michael Reiter
Veröffentlichung: 08.08.2023
Krankenhäuser benötigen Transparenz über ihre medizinischen Leistungen, ihre Patient*innen, ihre Kosten und ihre Prozesse. Nur mit dem Zugriff auf analysierbare Daten, so der Tenor der St. Vincenz-Kliniken, lassen sich Wirtschaftlichkeit und Qualität erreichen sowie die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben gewährleisten. Diesen Druck verstärken die Verhandlungen zur Krankenhausreform: Die Leistungserbringer müssen ihre Portfolios im Detail kennen, um robust in die Gespräche über die Zuordnung von Vorhaltebudgets, Versorgungsstufen und Leistungsgruppen zu gehen. Möglich wird diese Transparenz nicht nur in Paderborn durch modernste IT-Ansätze.
Eine zentrale Bedeutung erhält vor diesem Hintergrund die konsolidierte interoperable Patientenakte – so lautet die Einschätzung von Wilhelm Brinkmann. Er ist Teamleiter IT-Applikationen in den St. Vincenz-Kliniken mit ihren drei Standorten. Schon vor Jahren hatte der Leistungserbringer DMI mit der Digitalisierung der Papierakten beauftragt. Der IT- und Archivierungsspezialist führt diese Transformation (unter der Bezeichnung „dPaaS“) einschließlich der Ergänzung durch Metadaten in seinem Dienstleistungszentrum in Leisnig durch und übermittelt die Digitalisate an das Krankenhaus. Dort werden sie in die Interoperabilitätsplattform health.engine von i-engineers , einem DMI Partner, eingespielt. Gemeinsam mit den ursprünglich im KIS Medico und in Subsystemen elektronisch erstellten Dokumenten werden sie für den berechtigten Zugriff vorgehalten. Zugleich erfolgt die Compliance-konforme Langzeitarchivierung in den zertifizierten Rechenzentren von DMI.
„Wir übernehmen die digitalisierten Papierakten mit ergänzenden Metadaten in unsere IHE®-Affinity Domain mit Registry und Repository“, erklärt Brinkmann. „Dieses Vorgehen führt zu einer enormen Unterstützung und Verschlankung unserer Prozesse – manuelles Papier-Handling entfällt nach der Digitalisierung.“ Genutzt werden die zusammengeführten Patienteninformationen, so der Teamleiter weiter, unter anderem durch die Mediziner*innen bei Wiederkehrer-Fällen. Die Digitalisierung wird auch bei Krankenhausaufnahmen angestoßen, zu denen frühere Akten vorliegen.
„Die konsolidierten interoperablen Patientenakten ermöglichen es uns, das Lean-Hospital-Konzept mit Verschlankung und Patientenorientierung zu verwirklichen: Wir halten den maßgebenden Anteil benötigter Informationen digital verfügbar und müssen dazu kein Personal mehr involvieren. Alle Informationen stehen am Arbeitsplatz der Zugriffsberechtigten bereit.“
Der MD-Prozess illustriert die wichtigen Vorteile. So unterstützt das konsolidierte digitale Archiv die Abteilung Fall- und Forderungsmanagement bei der Bearbeitung und eVV-konformen Übermittlung von Patientenunterlagen. Eine wichtige Rolle übernimmt dabei die Klinische Dokumentenklassen-Liste (KDL). Über die Interoperabilitätsplattform und ein MD-Managementtool werden die ausgewählten Dokumente an den MD übermittelt. Diese Dokumente sind als Sicht („View“) auf die Plattform auf Dauer reproduzierbar.
Die digitalisierten Akten mit ergänzten Metadaten kommen auch zum Einsatz, wenn es um Managementthemen geht – etwa um Vergütungsbudget-Verhandlungen mit Kostenträgern und Potenzialanalysen für das Leistungsspektrum bei den Gesprächen mit den Landesbehörden. Bei diesen Anwendungen kommen semantische Analysen zum Einsatz, die DMI gemeinsam mit dem Partner ID modular unter dem Namen DaWiMed anbietet. „Ich bin überzeugt, dass eine gute Datenlage und das Erschließen von Wissenspotenzialen tragfähige Entscheidungen ermöglicht – für die Ziele von Klinik, Verwaltung und Management“, betont Brinkmann. „Im Zuge der anstehenden Veränderungen durch die Krankenhausreform schaffen verfügbare, analysierbare Daten das Fundament für unsere Zukunft.“
„Lassen Sie uns den Datenschatz aus der digitalen konsolidierten Patientenakte heben – als wichtige Entscheidungsvorlage auch fürs Management.“
Einen weiteren Vorteil bietet die konsolidierte interoperable Patientenakte im regionalen Austausch mit anderen Krankenhäusern, Ärzt*innen und Patient*innen, so Brinkmann. Im Leuchtturmprojekt der geförderten digitalen Gesundheitsplattform Ostwestfalen-Lippe – einem Dach mit fünf Affinity Domains – sei das Ausschöpfen von Innovationspotenzialen ein ganz wesentlicher Beweggrund, Interoperabilitätsplattformen einzurichten. Sie ermöglichen den lesenden Zugriff auf Patienteninformationen für alle Berechtigten im Netzwerk; Voraussetzung ist die Einwilligung der Patienten beim Entstehen der Dokumente. Die Dokumente, auch digitalisierte, erhalten entsprechende Merkmale.
Damit verbunden ist – neben einer neuen Systemarchitektur – die Optimierung von Versorgungsprozessen. Die interoperable Vernetzung von Akutkrankenhäusern, niedergelassenen Versorgern und Leistungserbringern in der Region beschleunigt und verbessert spürbar den Informationsfluss und die Behandlungssicherheit zwischen allen Beteiligten. Ein solcher Ansatz unterstützt, zum Nutzen der Patient*innen, die Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Akteuren sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Versorgung. Der Austausch von Informationen funktioniere so deutlich einfacher und schneller als über die Telematikinfrastruktur in ihrer gegenwärtigen Konzeption, so der Teamleiter.
„Eine wirksame Vernetzung von Akutkrankenhäusern, niedergelassenen Versorgern und Leistungserbringern ist ohne die Integration digitalisierter papierbasierter Akten in die Interoperabilitätsplattform nicht denkbar.“
Interoperabilitätsplattformen mit integrierten digitalisierten Akten sind aus Brinkmanns Sicht der zielführende Weg, Gesundheitsdaten zeit- und ortsunabhängig zur Verfügung zu stellen. Derzeit fährt St. Vincenz einen On-premise-Ansatz. In diesem Zusammenhang kann Brinkmann sich alternativ Cloudlösungen gut vorstellen, da sie einfach in die Kommunikationslandschaft der Krankenhäuser und MVZ integrierbar sind und dadurch gute Erweiterungsmöglichkeiten für den Teilnehmerkreis solcher Plattformen bieten. Allerdings müssen, so die Forderung des Teamleiters, Cloudanbieter die individuellen Prozesse der Teilnehmenden effektiv und flexibel unterstützen und keine in sich geschlossene Lösungen darstellen.
Die Lösung ermöglicht den St. Vincenz-Kliniken auch die Optimierung interner Prozesse, unterstreicht der Teamleiter. „Welche Dokumente sind bereits originär elektronisch bzw. noch auf Papier, ist die Dokumentation vollzählig bzw. redundant?“ – aus dem Dashboard von Archivar 4.0 lassen sich Potenziale für die Modernisierung der Abläufe ablesen. Ziel ist ein hoher Digitalisierungsgrad in der gesamten Organisation. „Verfügbare, analysierbare Daten und starke Tools ermöglichen uns Souveränität in der Fülle interner und externer Aufgabenstellungen, in der Gegenwart und für die Zukunft“, stellt Brinkmann fest.
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